Deutschland geht Nachwuchs für Anti-Terror-Kampf aus



Freundlich lächeln die beiden vom Plakat. Ein Mann mit Dreitagebart in strahlend weißem Hemd und eine junge Frau mit langem, blondem Haar in azurblauer Bluse. Das Duo soll Lust machen auf den neuen Job. „Du kannst Deutschland sicherer machen“, steht neben dem Foto. „Jetzt beim BKA bewerben!“
Das Bundeskriminalamt (BKA) sucht Personal – vom Kriminalkommissar über IT-Experten bis zur Bürokraft. Auf Straßen und in sozialen Netzwerken läuft seit einigen Wochen eine Werbekampagne. Stolze 400.000 Euro hat sich das Bundesinnenministerium die Aktion kosten lassen. Sie ist wohl dringend notwendig.
Im Zuge gleich zweier Sicherheitspakete hat die Bundesregierung beschlossen, die Sicherheitsbehörden umfangreich aufzurüsten. Das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz sollen mehr Personal, einen höheren Etat und eine bessere Ausstattung bekommen. Das hat mit Wahlkampf zu tun, aber auch mit wachsender Terrorgefahr durch Islamisten und Rechtsextremisten.
Woher sollen die neuen Mitarbeiter kommen?
Die Aufrüstung von Polizei und Nachrichtendiensten – von Behörden, Gewerkschaften und Innenpolitikern lange herbeigesehnt – erweist sich in der Umsetzung jedoch als Fluch und Segen gleichermaßen. Personal im geplanten Umfang aufzustocken stellt beispielsweise das BKA in den kommenden Jahren vor gewaltige Herausforderungen. „Ein Weihnachtsgeschenk“, sagt ein ranghoher BKA-Beamter. „Aber das Auspacken ist nicht ganz einfach.“
Rund 1300 zusätzliche Stellen sollen in den kommenden Jahren bis 2020 in der Behörde geschaffen werden – und das möglichst schnell. Woher aber sollen qualifizierte Bewerber in dieser Größenordnung kommen? Wie lange wird es dauern, bis die neuen Ermittler fertig ausgebildet sind und ihren Dienst antreten können? Und gibt es überhaupt genug Arbeitsplätze?
Schon jetzt scheint klar: Die Auswahlkriterien für BKA-Bewerber müssen wohl zwangsläufig gesenkt, sprich vereinfacht werden. Anders sind die geplanten Zahlen von Neueinstellungen kaum zu schaffen. Wie weit das gehen wird, ist unklar. Sprachprobleme, Unsportlichkeit und sichtbare Tattoos? In Zukunft vielleicht kein Problem mehr für eine Karriere als Kriminalkommissar. Die Befürchtung im Amt ist groß, dass aufgrund der nachgefragten Quantität am Ende die Qualität der neuen BKA-Mitarbeiter sinken könnte.
Der Intelligenztest soll „zeitgemäßer werden“
Bislang gibt es ein vierstufiges Bewerbungsverfahren beim BKA: Der psychodiagnostische Test, die sportliche Tauglichkeitsprüfung, das Assessment-Center mit Gruppendiskussionen, Vorträgen und individuellen Auswahlgesprächen und die „ärztliche Beurteilung hinsichtlich der Polizeidiensttauglichkeit“.
Im Rahmen des psychodiagnostischen Tests, umgangssprachlich Intelligenztest genannt, wird unter anderem die deutsche Rechtschreibung abgefragt. Etwa durch einen Lückentext, in den Begriffe wie „Kerzendocht“ oder „verbrämt“ eingefügt werden müssen. Bis zu einem Drittel der Bewerber fällt bei diesem Test regelmäßig durch. Die Prüfung soll daher nun angepasst werden, „zeitgemäßer werden“, wie es aus dem BKA heißt.
In der vergangenen Woche wurde der Bundeshaushalt des Innenressorts für das Jahr 2017 beschlossen. Darin vorgesehen ist eine erhebliche Personalaufstockung für das BKA. Allein zur Stärkung der Terrorismusabwehr soll die Behörde 730 zusätzliche Stellen bis 2020 bekommen, davon 530 schon im kommenden Jahr.
Etat für 2017 steht – Mehr Geld für Anti-Terror-Kampf
Die Koalition hat den Entwurf für den Bundeshaushalt im Wahljahr 2017 unter Dach und Fach gebracht. Der vom Bundestags-Haushaltsausschuss verabschiedete Entwurf sieht Ausgaben von 329 Milliarden Euro vor.
Quelle: Die Welt
Zuvor war bereits im Zuge des sogenannten ersten Sicherheitspakets ein Zuwachs von rund 290 Stellen beschlossen worden. Sprich: 2017 bekommt das BKA nun insgesamt 826 neue Stellen. Die dafür zuständige Verwaltung aber ist bislang nur auf die Gewinnung von rund 100 Personen pro Jahr ausgelegt.
Riesiger Personalmangel im öffentlichen Dienst
Personell aufgestockt werden sollen vor allem die Staatsschutzbereiche (Abteilung ST) zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und des militanten Rechtsextremismus. Es soll mehr Ermittler geben, aber auch mehr Übersetzer und Islamwissenschaftler. Zusätzlich sind weitere Observationsteams, also mobile Einsatzkommandos (MEK) geplant. Und auch im Bereich der organisierten und schweren Kriminalität (Abteilung SO) und im Kampf gegen Cybercrime wird demnächst aufgerüstet.
Zumindest in der Theorie. Aktuell verfügt das BKA über rund 5300 Stellen, unterteilt in 80 Berufsgruppen, darunter knapp 1700 Tarifbeschäftigte. Derzeit werden durchschnittlich 30 Bewerber für die Besetzung einer freien Stelle benötigt. Beim geplanten Stellenaufbau für das kommende Jahr würde dies bedeuten, dass sich mindestens 24.600 Personen beim BKA bewerben müssten, um die Stellen zu besetzen – die Bewerberzahl lag bisher aber nur bei knapp 3000 bis 4000 Bewerbern jährlich.
Deutschlands Polizei rüstet auf
In Hamburg hat die Polizei ihren neuen Panzwerwagen vorgestellt. Nicht zuletzt die Terroranschläge von Paris hätten gezeigt, dass eine Aufrüstung der Sicherheitskräfte bundesweit geboten ist.
Quelle: Die Welt
Woher sollen die Tausenden neuen Bewerber also kommen? Noch dazu, wenn die Polizeien der Länder ebenfalls aufstocken – und um dieselben Leute buhlen. Im öffentlichen Dienst herrscht ohnehin durch jahrelange Sparkurse ein kaum zu bewältigender Personalmangel. Laut einer neuen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung fehlen dem öffentlichen Dienst, beispielsweise bei Lehrern, Erziehern oder Polizisten, bundesweit wohl rund 110.000 Stellen.
Cyberexperten werden dringend gebraucht
Eine der größten personellen Herausforderungen für das BKA dürfte die Suche nach qualifiziertem IT-Fachpersonal sein. Das wird dringend gebraucht, denn das BKA soll nach dem Wunsch des Bundesinnenministeriums eine Zentralstellenfunktion als IT-Dienstleister des Bundes übernehmen. Im BKA sollen Krypto-Verschlüsselungen geknackt, Trojaner programmiert und große Datenmengen ausgewertet werden.
Die dafür notwendigen Computerexperten werden in der freien Wirtschaft oft mit hohen Einstiegsgehältern rekrutiert. Das BKA mit seiner Beamtenbesoldung oder Tarifgehältern kann da kaum mithalten.
Die Polizeibehörde versucht deshalb mit anderen Anreizen zu punkten: Jobsicherheit durch Verbeamtung oder die Aussicht auf einen spannenden Ermittlerjob im Bereich Cybercrime. Ob damit ausreichend fähiges Personal gewonnen werden kann, ist fraglich.
Erste Mitarbeiter weichen auf Container aus
Sollte die Rekrutierungsmaschine beim BKA letztendlich doch wie geplant anlaufen und tatsächlich Hunderte neue Kriminalisten ausbilden können, bleibt eine Frage weiterhin ungeklärt: Wohin mit dem Personal?
An den BKA-Standorten in Wiesbaden, Meckenheim bei Bonn und in Berlin-Treptow herrscht schon jetzt Platzmangel. In der Wiesbadener Liegenschaft an der George-Marshall-Straße arbeiten zahlreiche BKA-Mitarbeiter in Bürocontainern. Und in Berlin wurden vor Kurzem erst weitere Etagen in den sogenannten Treptowers angemietet, da es in anderen Räumlichkeiten nicht genug Arbeitsfläche gibt.
Am kommenden Montag gehen Hunderte BKA-Mitarbeiter in Berlin erst einmal ins Kino. Nicht um einen Hollywood-Streifen zu schauen, sondern zur Personalversammlung. Was dann verkündet wird, ist noch unbekannt. Vielleicht geht es ja um einen geplanten Umzug des Amtes. Schon seit Wochen wird über eine neue Immobilie verhandelt.