Das menschliche Auge kann ein einzelnes Photon sehen
Das Auge eines Menschen ist noch viel lichtempfindlicher, als immer gedacht wurde. Ein menschliches Auge kann sogar ein einzelnes Photon sehen. Hiermit handelt es sich um die kleinste physikalische Einheit eines Lichtes. Ein Experiment mit einer speziellen Quanten-Lichtquelle hat diese Tatsache belegt. Das berichteten Forscher im Fachmagazin “Nature Communications”. Bis heute ist noch nicht geklärt, wie unser Sehsystem dieses schwache Photonensignal wahrnehmen kann.
Wien (Österreich). Normalerweise gelten wir Menschen nicht wirklich als Superaugen. Viele Tierekönnen vor allem nachts viel besser sehen, als ein Mensch. Aber wo liegt die Grenze bei der Wahrnehmung des Lichtes? Die Sehkraft der Augenwird seit rund 70 Jahren untersucht. Bis heute ist noch unklar, wo die Grenzen liegen.
Wie gut sehen unsere Augen?
Bisher zeigten Studien keine umfassenden Ergebnisse, ob Menschen bewusst auf ein Signal reagieren, wenn die Stäbchen beziehungsweise unsere Sehsinneszellen bereits auf ein kleines Photon reagieren. Einer der Gründe hierfür ist, dass es einfach an der Technik fehlt, mit denen die einzelnen Photonen auf das Auge einer Testperson geschossen werden können.
Studienleiter Alipasha Vaziri von der Universität Wien erklärt, dass es nicht sehr einfach ist, ein Licht zu erzeugen, welches aus einer definierten Anzahl von Photonen besteht. Die Photonenanzahl ist bei einem Licht aus klassischen Quellen sehr statistisch verteilt. Die mittlere Photonenanzahl eines Lichtes lässt sich durch Dimmen verringern. Somit kann die exakte Anzahl nicht bestimmt werden.
Mit Licht oder ohne
Forscher lösten dieses Problem und konstruierten eine Lichtquelle, die bisher nur aus der Quanteninformation und Quantenoptik bekannt war. Durch einen optischen Kristall wird ein energiereiches Photon dafür verwendet, um in zwei verschränkte Photonen mit einer niedrigen Energie zu zerfallen. Während ein Photon auf das Auge einer Versuchsperson geleitet wurde, traf das andere Photon auf einen Detektor.
Die Probanden waren junge Männer, die mit einer optimalen Sehfähigkeit ausgestattet sind. Sie saßen in einem lichtisolierten Raum und hatten nach einer kurzen Eingewöhnungsphase die Aufgabe, anzugeben, in welchen zeitlichen Intervallen sie in dem absolut dunklem Raum ein Licht erkennen konnten. Zusätzlich mussten sie angeben, ob und wie sicher sie waren. Die Forscher wiederholten diesen Versuch mit den unterschiedlichsten Teilnehmern über 30.000 Mal.
Hier kann man von keinem Zufall mehr sprechen
In mehr als der Hälfte aller Fälle lagen die Probanden richtig. Die Trefferquote war damit viel höher, als wenn es sich um einen reinen Zufall handeln würde. Wenn die Forscher nur die Versuche bewerten würden, bei denen sich die Testpersonen sicher wahren, dann steigt die Zahl sogar auf 60 Prozent.
Das bedeutet, dass das menschliche Auge tatsächlich in der Lage ist, ein kleines Photon zu sehen. Das brachte die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Evolution die Empfindlichkeit der menschlichen Sinnesorgane verbessert hat. In diesem Fall sogar bis zur Einheit einer physikalischen Größe.
Was die Physiker daran besonders fasziniert ist die Tatsache, dass ein kleines Photon, welches die kleinste Einheit des Lichtes ist, von Milliarden von Zellen detektiert werden kann. Das schwache Licht durchläuft zuerst einige Schritte einer biologischen Signalverarbeitung bis hin zu einer bewussten Wahrnehmung. Trotz der unterschiedlichen Schritte geht das Rauschen nicht verloren.
Der rätselhafter Priming Effekt
Die sensible menschliche Netzhaut reagiert sehr unterschiedlich auf Licht. Dabei hängt das nicht nur von den individuellen Unterschieden ab. Ein weiteres Experiment hat ergeben, dass die Trefferquote der Testpersonen angestiegen ist, wenn die Forscher zwei Photonen mit einem Abstand von fünf Sekunden auf die Augen sendeten.
Die Wissenschaftler erklärten, dass die Detektion der einzelnen Photonen die Sensibilität des Sehsystems für einen derartigen Test in einer lichtarmen Bedingung erhöhen kann. Dieser Effekt wird als Priming Effekt bezeichnet. Er eigt das Auge darauf, auch auf schwache Signale reagieren zu können. Es ist bisher noch ungeklärt, welche neurophysiologischen Mechanismen dafür zuständig sind, wie die Forscher im Wissenschaftsmagazin Nature berichten.
Ungeklärt ist auch, wie das menschliche Auge es schafft, aus dem Hintergrundrauschen ein kleines Photon zu erkennen. Im kommenden Jahr wird Alipasha Vaziri und sein Team dieser Frage noch näher auf den Grund gehen.